Sonntag, 20. März 2011

Blickdi(cki)cht.



Sie schoben sich durch die Menge der Tanzenden. Klebrig, schweißige Haut berührte ihre nackten Arme. Als sie an der Bar standen hob Gabrio die Hand, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen, dem der Beat der Musik offensichtlich auf die Augen zu schlagen schien, denn seine Lider hingen wie halb heruntergelassene Jalousien vor seinen Pupillen.
"Zwei Weißwein". Als Gabrio das sagte musste sie lächeln. Eigentlich mochte sie Weißwein nicht einmal besonders, aber sie mochte es, dass Gabrio sich die Freiheit nahm für sie zu bestellen. Sie mochte den Gedanken, dass er sich offensichtlich vorstellte, sie bereits so gut zu kennen.
Gedankenverloren ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und blieb schließlich an einer Gruppe von Mädchen hängen, die nicht allzu weit entfernt von ihnen, am entgegengesetzten Ende der Bar, die Köpfe zusammen steckten. Sie tuschelten und immer wieder flogen die langbewimperten Augen der Drei zu Gabrio hinüber, der ebenfalls das Publikum des Clubs näher in Augenschein nahm. Als sein Blick zu der den Mädchen hinüber wanderte verharrten seine Augen für ein paar Sekunden auf ihnen, dann sah er schnell weg. Wandte sich ihr zu. Sie versuchte ihrem Gesicht einen belanglosen Ausdruck zu verleihen, als sie kritisch das seine nach einem Lächeln absuchte. Sie wusste, bei ihm hätte sie es damals ohne Schwierigkeiten gefunden. Dieses zufriedene, geradezu selbstgefällige Lächeln, wenn ihm klar geworden war, dass ihm die Aufmerksamkeit von zumindest einer Handvoll Frauen im Raum gehörte. Er hätte ihnen zugenickt, dass Glas gehoben oder zumindest kurz gezwinkert. Sie hatte das immer gehasst, so sehr.
"Ist alles in Ordnung mit dir?" fragte Gabrio und ein schiefes Lächeln trat auf sein Gesicht. Jetzt. Nicht nachdem er die Aufmerksamkeit der Mädchen bemerkt hatte..
Offensichtlich war ihr Blick doch kritischer gewesen, als sie es beabsichtigt hatte und so schüttelte sie schnell den Kopf.
"Alles".
Sie setzte ein Grinsen hinterher und spürte doch, wie eine erneute Welle der Erinnerung auf sie zugeschwappt kam. Hatte sie eben jene Szene nicht auch schon mit ihm erlebt? Natürlich.
Er hatte es sie auch immer gefragt. Wenn ihr Gesicht diesen... Ausdruck annahm.
Und doch..
Es war anders gewesen, damals.
Denn während Gabrios Frage ehrlich gemeint war, hatte seine nur aus ausgehöhlten Worten bestanden, die er auch zu jedem anderen Mädchen im Raum hätte sagen können. Sie hatten nicht das Gewicht gehabt, welches Worte besitzen sollten, die man zu einem Menschen sagte, der einem etwas bedeutete...
Ihre Augen wanderten erneut zu Gabrios Gesicht hinauf und ein unwillkürliches Lächeln huschte über ihre Lippen.
Ein Lächeln, dass von dem seinen ausgelöst wurde und welches er an diesem Abend nur ihr schenkte. Für die Worte, die er nur zu ihr sagte.
Und für den kleinen, giftigen Stein in ihrem Herzen, der sie noch immer, manchmal, an ihn erinnerte, doch den Gabrio mit jeder gemeinsamen Minute schrumpfen ließ..